Freunde & Förderer

GENDARMENMARKT BERLIN E.V.

BERLINER ZEITUNG 28.02.2021 – DDR-Architektur: Am Gendarmenmarkt steht der Plattenbau unter Denkmalschutz

Auf dem schönsten Platz Berlins treffen sich Schinkel und Ost-Moderne. Die erfährt späte Anerkennung.

Berlin-Mitte – Das Landesdenkmalamt Berlin hat den Gendarmenmarkt jetzt unter Denkmalschutz gestellt – und zwar ausdrücklich die Bauten und die Platzgestaltung der 1980er-Jahre, also die von DDR-Stadtplanern und Architekten erdachten Gebäude, Pflasterungen, Schmuck- und Grünelemente.

15 Jahre nach dem Abriss des Palastes der Republik, elf Jahre nach der Zerstörung des Ahornblattes, 13 Jahre nachdem die Bagger das Restaurant Seeterrassen am Fennpfuhl beseitigten, liest man in einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Kultur: „Der Gendarmenmarkt, wie er sich heute präsentiert, ist mit all seinen Elementen ein hervorragend überliefertes Zeugnis eines städtebaulichen Großprojektes der DDR.“ Die Rede ist von „geschichtlicher, künstlerischer sowie städtebaulichen Bedeutung“.

Und selten hört man vonseiten eines Bürgervereins, der sich um den Schutz historisch wertvoller Elemente im Stadtbild bemüht, nichts als Begeisterung über den Beschluss. Frank Keidel, Vorstand des Vereines der Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes, ist rundherum zufrieden: „Es ist alles unter Schutz gestellt, was schützenswert ist. Es fehlt nichts“, sagte er der Berliner Zeitung. Besonders wichtig ist ihm, dass auch alle Ausstattungselemente wie Poller, Ketten, Bänke, Kandelaber, Beleuchtungskörper dazugehören – „sogar der Kugelahorn!“, dazu auch die den Platz umgebende Bauten.

„Das war mehr als überfällig“, meint Frank Keidel und komme gerade zur rechten Zeit, jetzt, da die Reparatur des Platzes ansteht: „Nicht, dass dabei etwas verloren geht!“ Die Arbeiten sollen im Mai 2021 beginnen und werden voraussichtlich drei Jahre dauern. Vorgesehen ist die „tourismusnahe Umgestaltung“ des mehr als 300 Jahre alten Platzes im Herzen der Friedrichstadt. Sie soll denkmalgerecht erfolgen und Barrierefreiheit schaffen. Die beschädigten Bodenbeläge – ebenfalls nun mit Denkmalstatus – werden repariert.

Die Entscheidung, den Gendarmenmarkt in seiner in der DDR-Zeit geformten Gestalt unter Denkmalschutz zu stellen, ist Folge eines Sinneswandels. Die Ost-Moderne erfährt mittlerweile die Wertschätzung, die sie schon immer verdient hat und im Nachwendefuror des Tilgens von DDR-Beständen nicht bekommen konnte.

Im vergangenen August stellte das Landesdenkmalamt schon den 1984 eröffneten Friedrichstadtpalast unter Denkmalschutz, auch dieser ein Plattenbau wie die nun geehrten Gebäude am Gendarmenmarkt. Die Entwürfe gehen auf Manfred Prasser (1932–2018) zurück, einer der bedeutendsten DDR-Architekten. Er war in den 1970ern mit der Planung des grandiosen Saales im Palast der Republik bekannt geworden.

Ab Ende der 1970er-Jahre gestaltete er das Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte im schinkelschen Sinne. Er rekonstruierte den Französischen und den Deutschen Dom, war aber auch für die Konzeption der Platzanlage mitsamt der Randbebauung im historisierenden Plattenbau-Dekor zuständig. Jetzt stehen die DDR-Bauten in schöner Harmonie neben den architektonischen Juwelen aus dem 18. Jahrhundert. Für den Platz der Akademie, wie er zu DDR-Zeiten hieß, bekam Prasser schon damals hohes Lob.

Ein Reporter der Berliner Zeitung, der 1987 über das gelungene Bauensemble berichtete, vergaß nicht zu erwähnen, dass die Fassaden der neuen Häuser samt Hotel das Wohnungsbaukombinat Berlin und der VEB Stuck und Naturstein geliefert hatten. Spezielle Betonteile, die eine besondere Gestaltung von Erd- und erstem Obergeschoss möglich machten, kamen aus einem kleinen Spezialwerk, das eigens für den Platz der Akademie errichtet worden war. Die Platten zeigten nun Profil und Schmuckelemente wie zum Beispiel Mosaiken, die Wohnhäuser bekamen richtige Dachgeschosse mit Mansarden. Nicht jedem gefiel das damals, einige der Fassaden standen unter Kitschverdacht.

Aber die Leute staunten: Das sollte etwas mit WBS 70 zu tun haben – also der Wohnungsbauserie, mit deren einheitlichem Plattenraster seit Anfang der 1970er-Jahre überall in der DDR Neubauviertel hochgezogen wurden? „Ja“, sagte Prasser damals, „wir haben hier versucht, nachzuweisen, was man mit industriell Vorgefertigtem alles machen kann.“ Mit eben diesem Verfahren industriellen Bauens war der Friedrichstadtpalast entstanden, von dem Prasser sagte: „Ich baue hier keinen Larifari-Schuppen, von dem die Leute sagen: ,Guckt mal, das ist die klein karierte DDR.‘“

Wäre nicht die Abrisswut der 1990er-Jahre auch durch die Friedrichstraße gefahren, käme wohl ein weiteres der Prasser-Gebäude zu den Denkmälern hinzu: die Friedrichstadtpassagen, die zum Zeitpunkt der Wende zu 60 Prozent fertiggestellt waren. Doch dann kaufte ein französisch-amerikanisches Konsortium die Rohbauten für 85 Millionen Mark – um sie abzureißen. Manfred Prasser konnte den Abriss von seinem Arbeitszimmer aus beobachten.

Der Architekt Wolf Eisentraut, der unter anderem das Stadtzentrum von Marzahn entworfen hat, weiß, wie einem zumute ist, wenn man das erlebt. Auch etliche seiner Entwürfe wie die beliebten Seeterrassen am Fennpfuhl in Lichtenberg wurden beseitigt. Das von ihm entworfene Rathaus Marzahn steht inzwischen unter Denkmalschutz. Dass dies nun auch für den Gendarmenmarkt gilt, begrüßt er. Es handele sich um ein geschlossenes Ensemble in eigenständiger Architektur. Als Zeugnis einer Epoche stehe der Platz für den Abschluss des Wiederaufbaus nach dem Krieg.

Seinem Kollegen Prasser und dessen Freunden sei ein Gesamtkunstwerk gelungen – im Zusammenspiel von echten historischen Bauten, modernen, auf die historischen Elemente bezogenen Lückenergänzungen und der Freiflächengestaltung. „Da passt alles zusammen“, sagt Wolf Eisentraut, auch, „weil alles aus einer Hand kam“. Ihm gefällt, dass der Platz seine Begrenzung fand – in geschlossenen Fronten, respektierten historischen Fluchten und Gebäudehöhen, alles gegliedert in einzelne Häuser statt in durchgezogene Blocks mit Einheitsfassaden. Auch wenn einige überbordende Fassadendetails nicht seinem Geschmack entsprechen.

Er erinnert sich, wie nach der Wende DDR-Bauten als grundsätzlich schlecht galten. 30 Jahre später zeige sich auch in der neuen Wertschätzung für den Gendarmenmarkt, dass nun die Siegermentalität überwunden werde.

Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin, Senator für Kultur und Europa und Mitglied der Linkspartei, findet den neuen Denkmalstatus ganz richtig: „Der Gendarmenmarkt ist schließlich der bedeutendste Platzraum der Postmoderne in der DDR!“