Freunde & Förderer

GENDARMENMARKT BERLIN E.V.

Aktuelles

GENDARMENMARKT 2010 Stellungnahme über die geplante Gestaltung und Nutzung

Die Berliner Verwaltung plant eine bauliche Umgestaltung des Gendarmenmarktes. Der Begriff Umgestaltung lässt aufhorchen. Es soll also keine Instandsetzung erfolgen. Die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und ihre Mitarbeiter wollen den Gendarmenmarkt neu gestalten und nicht instand setzen. Warum eine Neugestaltung des Platzes für die Berliner Verwaltung notwendig und wichtig ist wurde in zwei Bürgerforen, einer Fachtagung der Berliner Denkmalschützer, zwei Arbeitstreffen mit Interessenvertretern und Info-Broschüren versucht zu vermitteln. Erst allmählich wurde den Beteiligten klar, dass die Verwaltung vorhat, den Platz neu zu gestalten und dies ein massiver Eingriff in die bestehende Platzkonzeption bedeutet, der bisher keinen Grund zur Klage gab. Beklagt wurde bisher der Pflegezustand des Platzes, der seit fünfundzwanzig Jahren aus seiner Substanz lebt und den die Besucher immer noch zum „ Schönsten Platz Europas „ zählen. Warum also dieser massive Eingriff durch eine bauliche Umgestaltung, die auch wirtschaftlich zu hinterfragen ist in finanziell schwierigen Zeiten?

Es geht bei der vorgestellten Planung durch die Senatsverwaltung um diese zwei Schwerpunkte:

1. Die bauliche Neugestaltung des Gendarmenmarktes

2. Das Leitbild für die Nutzung des Gendarmenmarktes

Für die bauliche Neugestaltung des Platzes rechnet die Verwaltung mit 90% EU-Mitteln und 10% Landesmitteln sowie einer Bauzeit von drei Jahren. Eine Instandsetzung des Gendarmenmarktes durch die Senatsverwaltung ist bisher nicht vorgesehen. Zur gleichen Zeit wird der Bau der U-Bahnstation der Linie 5 Unter den Linden Ecke Friedrichstraße aufgenommen und voraussichtlich fünf Jahre dauern.

Wir stellen fest:
In den letzten zwanzig Jahren nach der Wende sind die Gebäude auf dem Platz und um den Platz herum restauriert oder neu gebaut worden. Seit zehn Jahren wächst das kulturelle, geschäftliche und touristische Leben auf und um den Platz. Aus einem leeren von drei Baudenkmälern geprägten Platz wurde ein Ort, mit dem sich Besucher und Bewohner identifizieren.
Er ist durch bürgerliches und nicht herrschaftliches Leben geprägt. Eine Platzerneuerung für den Gendarmenmarkt ist durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Planung. Die Neugestaltung für einen in der heutigen Zeit beispielhaft von Berlinern und Berlinbesuchern angenommenen Platz steht zur Diskussion. Die vorhandene Konzeption des Platzes ist jedoch noch nach 25 Jahren beispielhaft und bedarf unseres Erachtens keiner tief greifenden Veränderung.

Dazu kommt:
Wirtschaftlich ist die geplante Platzerneuerung fragwürdig, zumal – wie bekannt – die Finanzen Berlins – wie auch der der EU – zur Zeit eng begrenzt sind. Die Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes haben die Beteiligung der Bürger durch die Verwaltung an der Planung als gelebte Demokratie begrüßt und genutzt. Wir haben uns über das Anliegen der Verwaltung beraten und uns mit anderen Institutionen ausgetauscht.

Unser Plädoyer

Die in den letzten fünfundzwanzig Jahren aufgetretenen Nutzungsmängel sollten bei einer behutsamen Instandsetzung des Platzes behoben werden.
Dies sind:
– Die Verbreiterung des Bürgersteigs in der Charlottenstraße vor der Französischen Friedrichstadtkirche durch die Wegnahme des Parkstreifens, sowie die Entfernung von vorhandenen Bodenkanten an den Bürgersteigen.
– Die Gastronomieflächen an den Platzrändern sollten durch in den Boden eingelassene Versorgungsstationen und Sonnenschirmhülsen modernisiert werden, damit die auf dem Boden liegenden Versorgungsstränge keine Gefährdung darstellen.

– Großveranstaltern sollten ausreichende Versorgungssysteme am Platzrand zur Verfügung gestellt werden.

Eine Neugestaltung des Gendarmenmarktes lehnen wir ab.

Fünfundzwanzig Jahre hat das vorhandene Bodenpflaster ohne bemerkenswerte Pflege auf dem Platz gut gehalten. Es ist bedauerlich, dass das zerstörte Bodenmaterial in den Bodenplatten nie ersetzt und das heraus gelöste Pflaster mit Teer aufgefüllt wurde. Aber nach Auskunft von Fachleuten sind sowohl die Bodenplatten sowie der Bodenbelag reproduzierbar. Die Karl-Marx-Allee ist ein gutes Beispiel für den behutsamen Umgang mit qualitativ hochwertigen, zeitgenössischen Anlagen und sollte auch für den Gendarmenmarkt gelten. Der Arbeit des Landschaftsarchitekten Hubert Matthes und des Komplexarchitekten Manfred Prasser, die in einer Bauzeit von 1976 bis 1984 dem Gendarmenmarkt seine heutige Gestalt gaben, gilt es respektvoll und angemessen zu begegnen. Sie bauten den vom Krieg zerstörten Platz mit der Zielsetzung wieder auf, dass der Platz das bedeutendste Ensemble historisch wertvoller Bauten im Berliner Stadtzentrum ist: „ Die gestalterische Qualität der Bauwerke und ihre städtische Anordnung sind Leistungen bedeutender Baumeister, vor allem Schinkel und Gontards, die damit einen internationalen hervorragenden Beitrag zur bürgerlichen Baukunst erbrachten“ ( Platz der Akademie; Studie Berlin 1976 ). Dies bedeutete in der DDR einen Wendepunkt im Umgang mit historischen Stadtflächen.

Wir setzen uns dafür ein, dass der Gendarmenmarkt in seiner vorhandenen Gestaltung behutsam Instand gesetzt wird. Sich durch eine Neugestaltung des Gendarmenmarktes zu profilieren kann von uns nicht mitgetragen werden. Die Planer wollen dem Gendarmenmarkt ein „Nachwendekleid“ geben, das er nicht benötigt. Den ersten Einschnitt erfuhr der Platz 1996, als er in der Südwestecke aufgebrochen wurde und durch die Bebauung des Quartiers 205 eine Grünflächengestaltung aus dem ausgehenden 19. Jahrhunderts erhielt, die losgelöst von der vorhandenen Platzgestaltung ist. Hier wurde dem Platz ohne eine historisch standhaltende Notwendigkeit ein „Nachwendekleid“ verpasst. Die kleinen Ahornbäume, von Hubert Mattes als Aufenthaltsflächen und Orte zum Verweilen – sozusagen als Baumsäle – gesetzt, will die jetzige Planung entfernen. Sie sind dem Vernehmen nach rings um den Französischen Dom Sichtbarrieren zu den Gebäuden, sowie Gehbehinderungen für die Fußgänger. Seit fünfundzwanzig Jahren wurden sie weder beschnitten noch gelichtet und sind in einem ungepflegten Zustand, der den Menschen trotzdem noch eine hohe Aufenthaltsqualität gibt. Seit Beendigung der Bautätigkeit am Französischen Dom entsprechen sie wieder dem urbanen öffentlichen Raum der Platzkonzeption von Matthes/Prasser. In den Bürgerforen sprachen sich viele Anrainer ( in der Info- Zeitung der Senatsverwaltung wird das Gegenteil behauptet ) für den Erhalt der Ahornbäume aus. Ein starkes Argument war: „Die mittlerweile stark befahrene Französische Straße benötige die Ahornbäume und die Stufenerhöhung zum Platz, um diesen Bereich von ständig wachsender Verkehrsbeeinflussung fern zu halten“. Die Senatsverwaltung plant Rasenanlagen mit einzelnen Bäumen und will die Baumsäle und die Platzerhöhung weg haben. Wir plädieren für deren Erhalt, damit die Gesamtkonzeption von Matthes nicht weiter zerstört wird, die dem Platz Halt und Ruhe zum Verweilen gibt.

Wir sprechen uns für die Erhaltung und eine Instandsetzung der Ausstattungselemente wie den Bänken, Stufenanlagen, Kandelabern und Laternen aus. Die Sitzbänke aus Holz von der Weber Bank 1997 gesponsert sind auf dem Platz nur deshalb ein Ärgernis, weil sie ebenso wie das Bodenpflaster nie gepflegt wurden und heruntergekommen aussehen. Die Platzpflege stand in den zurückliegenden Jahren in keinem Verhältnis zur wachsenden Nutzung.


Das Leitbild der Senatsverwaltung für den Gendarmenmarkt
Wir unterstützen ein Leitbild, das klare und positive Aussagen zur Nutzung und Gestaltung des Gendarmenmarktes macht. Das vorgetragene Leitbild des von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beauftragten Gutachters Rehwald unterstützen wir in seiner Haupaussage:

Der Gendarmenmarkt ist “ Ein Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant „.

Die einzelnen Aussagen zur Nutzung und Gestaltung der Verwaltung machen den Gendarmenmarkt zum musealen Architekturplatz mit drei Baudenkmälern, der er nie war. 

– Großzügiges freihalten von Gebäudeeingängen
– Einhalten eines „Respektabstandes“ zu den Gebäudefassaden

– kein Verstellen wichtiger Blickachsen durch feste oder temporäre Bauten
– Sicherung der Befahrbarkeit und ausreichender Belastbarkeit auf allen Platzflächen
– Einfügen von Ausstattung und Möblierung in das städtische Gesamtbild
– Einhalten einer „Winterruhe“ ( Oktober bis April )
– Verwendung von Sonnenschirmen mit begrenzter Einzelgröße
– ruhige, zurückhaltende und einheitliche Gestaltung der Einzelelemente
– Verzicht auf weitere Einhausungen, Sicht und Wetterelemente
– Beibehaltung einer offenen niveaugleichen Platzfläche
– Verwendung robuster und pflegearmer Materialien
– Schaffung von Haltemöglichkeiten für Reisebusse
– Einordnung von Fahrradständern, Sitzbänken und Toilettenanlagen
– Freihalten von Wege
– und Blickbeziehungen auch während der Veranstaltungen

Die Nutzung des Platzes als: „Einen Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“.

Die Allegorien auf den beiden Domen sollten uns bestärken hier weltstädtisch zu denken und zu handeln. Der Gendarmenmarkt ist ein lebendiger, weltstädtischen Platz der wie das Leitbild aussagt“ Ein Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“ ist. Um diese Aussage zu gestalten, erfolgten schon in der Vergangenheit Kompromisse im Sinne des Platzes als Ort städtischer Identifikation und „Geist der Stadt“. Wenn das Leitbild bestand haben soll muss ein Rahmen gefunden werden, der den Gendarmenmarkt weiterhin geschichtlich, geschäftig und elegant unterstützt. Bei der Umsetzung des Leitbildes braucht der Händler, der Gastwirt, der Veranstalter Rahmenbedingungen zum Platz, die ihm helfen das Leitbild mit geschichtlichem Bewusstsein, städtischer Geschäftigkeit, nobler Eleganz und weltgewandter Gastlichkeit wirtschaftlich um zu setzen.

– Die vorgegebenen Nutzungsaussagen der Senatsverwaltung werden den Platz in seiner Lebendigkeit lähmen und einem musealen Baudenkmal Vorschub leisten.

“Einen Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“ werden sie nicht gerecht.

Das Leitbild muss den „Geist des Platzes“ einbinden und tut dies mit der klaren Aussage:

“Ein Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“ als Ort und Identifikation für städtisches Leben in Berlin.

– Die Nutzungsaussagen konterkarieren bis jetzt das Leitbild, das sich dynamisch am städtischen Leben des Gendarmenmarktes orientiert und orientieren muss.

– Die Nutzungsaussagen sind statisch und verhindern konstruktive Rahmenbedingungen.

Die Nutzungs- und Gestaltungsaussagen sind ein Sammelsurium von Vorstellungen, die das Leitbild unterstützen sollen, dies aber nicht tun. Die Verwaltung möchte zum Beispiel eine „einheitliche Gestaltung“ in der Terrassenmöblierung der Gastronomie und macht damit das derzeitige Dilemma deutlich. Im Sinne der Aussage des Leitbildes ist die Ausstattung der Terrassenmöblierung der Gastronomie geschichtlich, geschäftig, elegant um zu setzen. Eine einheitliche Gestaltung der Terrassenmöbel auf dem Platz reduziert unseres Erachtens das Leitbild vom geschichtlichen, geschäftigen und eleganten Berliner Salon.

Elegante Lounge-Möbel werden vom Denkmalschutz als Wohnzimmermöbel deklariert, ungeeignet für das Baudenkmal Gendarmenmarkt. Dass der Besucher die Unterschiedlichkeit der Möblierung als charakteristisch für einen lebendigen, städtischen Platz erlebt, der geschichtlich, geschäftig, elegant im Sinne „des Geistes des Platzes“ sich darstellt, ist noch nicht Konsens. Wir wünschen uns in Berlin und am Gendarmenmarkt weltläufige Gastgeber, die mit der Zeit sind und nicht außerhalb. Wir wünschen uns von der Verwaltung, dass sie den Platz mit ihrer Professionalität bereichert und flexibel begleitet.

Wir schlagen vor neue Rahmenbedingungen auszuarbeiten, die dem Leitbild:

„Ein Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“ entsprechen.

Wir bewundern berühmte Plätze in Europa, die mit der Stadtgeschichte, der Vorstellung von Denkmalschutz und dem vorhandenen städtischen Leben eine Balance gefunden haben.

Der Gendarmenmarkt hat diese Balance, wir sollten dafür Sorge tragen, dass diese Ausgewogenheit als ein lebendiger, stetiger Prozess von allen Beteiligten verstanden, akzeptiert und praktiziert wird.

Berlin, Mai 2010    Ada Withake-Scholz

        Frank Keidel